Rede von Torsten Felstehausen

Torsten Felstehausen - Solche Sicherheitsdienste brauchen wir sicherlich nicht!

Torsten FelstehausenInnenpolitik

In seiner 119. Plenarsitzung am 16. November 2022 diskutierte der Hessische Landtag zu den NSU-Akten. Dazu die zweite Rede unseres innenpolitischen Sprechers Torsten Felstehausen.

Vielen Dank, Herr Vorsitzender.

 – Ich glaube, es ist gut, dass wir uns morgen noch einmal Zeit dafür nehmen. Die Debatte zeigt, wie vielschichtig das ist. Die Debatte zeigt auch, dass wir es an vielen Stellen offensichtlich – ich formuliere es einmal vorsichtig – nicht immer ganz so mit der Wahrheit halten.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und Hartmut Honka (CDU): Ihr!)

Bei der Frage „Was ist eigentlich veröffentlicht worden, und was ist dabei eigentlich die große Gefahr?“ erinnern Sie sich sicherlich an meine Rede. Ich habe darin aus dem Aktenprüfbericht zitiert. Das, was ich zitiert habe, ist 1982 gewesen. Nach den jetzigen Richtlinien hätten diese Sachen heute schon veröffentlicht sein müssen, bei einer Sperrfrist von 30 Jahren. Insofern kann man die Frage, ob dort Leute gefährdet werden, deutlich ausschließen. Es ist Ihre eigene Richtlinie, die dort genannt worden ist.

Das Zweite. Herr Wagner, Sie haben gesagt, oder es haben alle gesagt, weil es die Linie der regierungstragenden Fraktionen ist, es gefährde den Austausch unter den Sicherheitsbehörden.

(Holger Bellino (CDU): Natürlich!)

Herr Bellino, ich möchte an den Austausch der Sicherheitsbehörden untereinander erinnern: NSU. Sicherlich sagt Ihnen die „Operation Rennsteig“ etwas. Das war genau so ein Austausch, eine gemeinsame Aktion des Bundesamts für Verfassungsschutz, des MAD und der Landesämter für Verfassungsschutz von 1996 bis 2002. Was ist passiert? Es war das gemeinsame Ziel, die rechtsextreme Szene in Thüringen unter Kontrolle zu bringen, unter die Kontrolle der staatlichen Behörden.

Das Ergebnis war: Von 140 Menschen, Rechtsextremen, im Thüringer Heimatschutz waren 40 auf der Gehaltsliste des MAD, des Verfassungsschutzes und anderer Sicherheitsbehörden. – Wenn das der Austausch ist, für den Sie stehen, dann kann ich nur sagen: Solche Sicherheitsdienste brauchen wir sicherlich nicht.

(Beifall DIE LINKE – Zuruf AfD: Das ist überholt!)

Drittens. Herr Wagner, Sie haben die Frage aufgeworfen, was es denn jetzt an neuen Erkenntnissen gebracht hat, dass dieser Aktenprüfbericht vorgestellt worden ist. Ja, es macht sehr deutlich: Dieser Verfassungsschutz war damals nicht kontrollierbar, nicht durch eine parlamentarische Kontrollkommission, nicht durch Untersuchungsausschüsse, und es macht auch deutlich, dass er es heute nicht ist.

Aber es macht auch noch eine ganz andere Sache deutlich: Alle wesentlichen Erkenntnisse, die die Öffentlichkeit darüber hat, wie es um die Neonaziszene in diesem Land steht, kommen eben nicht aus den Sicherheitsbehörden. Diese Erkenntnisse verdanken wir ausschließlich antifaschistischen Recherchegruppen, die mehr zur Sicherheit dieses Staats beitragen als dieser Verfassungsschutz. Meine Damen und Herren, das ist eine wesentliche Erkenntnis aus diesem Bericht.

(Beifall DIE LINKE – Zuruf Volker Richter (AfD))

Zu der Frage, was in diesem Aktenprüfbericht eigentlich veröffentlicht worden ist. Ja, es ist noch mehr veröffentlicht worden jenseits der Tatsachen. Da geht es nicht um die Frage, wer V-Mann ist oder wer nicht V-Mann ist. Es ist unter anderem veröffentlicht worden, wie dieses Landesamt mit seinen Akten umgeht. Meine Damen und Herren, über 200 Aktenstücke sind bis heute gar nicht auffindbar. Darauf ist überhaupt kein Bezug genommen worden.

Herr Bellino, dann möchte ich Ihnen einmal sagen: Wie war es eigentlich möglich, dass wir so schnell haben reagieren können? Diese Frage haben Sie erst auf Twitter gestellt und jetzt wiederholt. Ja, vielleicht ist das der Unterschied zwischen einem Landesamt für Verfassungsschutz und der Fraktion DIE LINKE im Hessischen Landtag. Wir haben einen aufgeräumten Aktenschrank. Wir haben fähige Mitarbeiter. Dafür bin ich wirklich dankbar.

(Beifall DIE LINKE)

Der letzte Punkt. Stefan Müller, Sie haben angesprochen, wie dieser Bericht eigentlich in die Öffentlichkeit gekommen ist. Wer ist eigentlich die Quelle? Natürlich, das interessiert uns alle.

(Zuruf Hartmut Honka (CDU))

Da steht ein Strafantrag im Raum, und natürlich steht da auch die Frage einer Bestrafung im Raum. Wir alle, die sich mit diesen Akten beschäftigt haben, haben doch einen klaren Hinweis darauf, wo die Quelle sitzt.

Der Innenminister hat es gesagt: Der Generalbundesanwalt hat die Akten gehabt, das Bundeskriminalamt hat die Akten gehabt, das Innenministerium hat die Akten gehabt, und selbstverständlich die Untersuchungsausschüsse – wobei ich davon ausgehe, dass der Untersuchungsausschuss 19/1 alle Akten vernichtet hat. Im Untersuchungsausschuss 20/1 liegen uns diese Akten vor.

(Zuruf Hartmut Honka (CDU): 19/1 war damit nicht befasst!)

Alle diese Akten enthalten keine Aktenzeichen. Wir alle hatten auf diese Aktenzeichen keinen Zugriff. Jetzt kann man einmal darüber nachdenken, wer Zugriff auf diese Aktenzeichen hatte. Es war nicht der Generalbundesanwalt, es war nicht das BKA, es waren nicht die Untersuchungsausschüsse. Lassen Sie uns in der Pause einmal darüber reden, wer noch übrig bleibt. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE – Hartmut Honka (CDU): Der Untersuchungsausschuss 19/1 war mit diesen Akten nicht befasst!)