Rede von Torsten Felstehausen

Torsten Felstehausen zu Angriffen auf Einsatzkräfte

Torsten FelstehausenKommunales

In seiner 126. Plenarsitzung am 26. Januar 2023 diskutierte der Hessische Landtag zu Angriffen auf Einsatzkräfte. Dazu die Rede unseres Parlamentarischen Geschäftsführers und innenpolitischen Sprechers Torsten Felstehausen.

Torsten Felstehausen (DIE LINKE):

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren!

Ich möchte an dieser Stelle auf der Besuchertribüne die Mitglieder der AG Straßenbeitragsfreies Hessen und auch die Mitstreiterinnen und Mitstreiter aus dem Verband Wohneigentum ganz herzlich begrüßen.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Sie werden sich an die eine oder den anderen aus diesen Gruppen erinnern, weil sie tatsächlich einen wesentlichen Beitrag zu diesem Gesetzentwurf geliefert haben, dadurch, dass sie sich an den Anhörungen aktiv beteiligt haben, dadurch, dass sie viele Sachen zusammengetragen haben. Auf der Grundlage dessen und in Rücksprache mit ihnen ist dieses Gesetz so zustande gekommen, wie es heute vorliegt.

(Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn (Freie Demokraten): Entwurf! Es ist ein Entwurf und kein Gesetz!)

Heute ist ein guter Tag für Bürgerinnen und Bürger, die an Anliegerstraßen in unserem Land wohnen. Sie werden mit sofortiger Wirkung und auch rückwirkend von der Belastung durch Straßenausbaubeiträge befreit. … wir … schaffen damit eine echte Entlastung in einer Zeit, in der die Bürgerinnen und Bürger sie ganz besonders brauchen.

(Beifall DIE LINKE – Unruhe)

Ja, jetzt schaue ich in etwas irritierte Gesichter. Sie haben es vielleicht gemerkt, das sind zwar wahre Worte, aber es sind nicht meine Worte.

(Unruhe)

Vizepräsidentin Karin Müller:

Einen kleinen Augenblick bitte. – Es ist sehr laut, ich bitte um mehr Aufmerksamkeit für den Redner.

Torsten Felstehausen (DIE LINKE):

Na ja, den einen oder anderen interessiert es vielleicht nicht so. – Es sind wahre Worte, aber es sind nicht meine Worte. Sie stammen von Anke Fuchs-Dreisbach, die für die CDU im Landtag von Nordrhein-Westfalen sitzt. Die Sätze sind aus einer Pressemitteilung vom 24. März 2022. An diesem Tag beschloss der Landtag von NordrheinWestfalen auf Antrag der damaligen Regierungskoalition von CDU und FDP eine 100-prozentige Kostenübernahme der Straßenbeiträge durch das Land.

Im gleichen Antrag wurde die Landesregierung aufgefordert, ein Konzept zur endgültigen Abschaffung der Straßenbeiträge zu entwickeln. Ich finde, das war ein guter Wurf, den wir dort in NRW gesehen haben.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Diesen Ball haben CDU und GRÜNE nach der letzten Landtagswahl in NRW aufgegriffen und in ihrem Koalitionsvertrag festgehalten:

Wir werden die Straßenausbaubeiträge … für das Land Nordrhein-Westfalen rückwirkend zum 1. Januar 2018 für die beitragspflichtigen Eigentümerinnen und Eigentümer abschaffen und die ausbleibenden Einnahmen für die Kommunen landesseitig ersetzen.

(Beifall DIE LINKE)

Hört, hört, lasst uns dort hinschauen, und lasst es uns ähnlich machen. Dieses Vorhaben entspricht nämlich genau dem, was betroffene Bürgerinnen und Bürger, über 70 Bürgerinitiativen, zahlreiche Expertinnen und Experten sowie Verbände und DIE LINKE schon seit Jahren auch für Hessen fordern. Die unsozialen, ungerechten und unsinnigen Straßenbeiträge müssen endlich abgeschafft werden. Das Land muss den Kommunen die Einnahmeausfälle erstatten, (Beifall DIE LINKE und SPD – Alexander Bauer (CDU): Wieso muss es das?)

weil Straßen ein Teil der öffentlichen Infrastruktur sind; und ihre Kosten dürfen nicht auf einzelne Anwohnerinnen und Anwohner abgewälzt werden. Das müssen CDU und GRÜNE endlich auch in Hessen einsehen, meine Damen und Herren. Handeln Sie endlich so, wie es viele andere Länder auch schon machen.

(Beifall DIE LINKE – Alexander Bauer (CDU): Eigentum verpflichtet!)

Allerdings sind in NRW die Straßenbeiträge auch noch nicht komplett abgeschafft. Mit dem dortigen schwarz-grünen Koalitionsvertrag ist es nämlich ähnlich wie mit dem in Hessen: Papier ist geduldig, und nicht alles, was vollmundig versprochen wird, findet auch tatsächlich statt.

Das sieht Robin Korte, Sprecher für Kommunalpolitik der grünen Landtagsfraktion in Düsseldorf, selbstkritisch ein. In seiner Rede vom 9. Dezember letzten Jahres sagte er:

Ja, Nordrhein-Westfalen ist eines der letzten Bundesländer, das den Straßenausbaubeitrag noch erhebt, und das ist schlecht.

Weiter sagte er – ich zitiere –:

… der Aufwand zur Abrechnung der Beiträge in unseren Kommunen ist schlicht zu hoch. Wir können das Personal, das in unseren Tiefbauämtern auch für die Verkehrswende und für Maßnahmen zur Klimaanpassung gebraucht wird, wahrlich für bessere Aufgaben einsetzen als dafür, Beitragsbescheide zu erstellen.

(Beifall DIE LINKE)

Diese Ehrlichkeit, diesen realistischen Blick auf die Realität in den kommunalen Verwaltungen würde ich mir endlich auch von den GRÜNEN hier in Hessen wünschen. Stattdessen bleiben Sie bei Ihrer ideologischen Blockadehaltung. Damit beschreitet Hessen einen völlig falschen Sonderweg. Mittlerweile sind es neun oder – zählen wir NRW dazu – zehn Bundesländer, die keine Straßenbeiträge mehr erheben. Weitere werden folgen, und es ist längst überfällig, dass auch Hessen nachzieht.

Deshalb haben wir im Sommer letzten Jahres zum dritten Mal nach 2018 und 2019 einen eigenen Gesetzentwurf zur Abschaffung der Straßenbeiträge eingebracht. Dabei haben wir die Ausgleichssumme für Kommunen auf mindestens 70 Millionen € erhöht und nach dem Vorbild von Bayern einen Härtefallfonds in Höhe von 25 Millionen € aufgenommen. Wir glauben, dass wir damit eine praktikable Lösung vorgelegt haben, wie man Straßenausbaubeiträge sofort abschaffen kann.

(Beifall DIE LINKE)

Natürlich weiß ich, was gleich von der Seite der Regierungsfraktionen kommen wird, aber wahrscheinlich auch von der FDP, die in dieses Konzert einstimmen wird. Ich möchte zumindest kurz auf ein paar Punkte eingehen.

Zum einen werden Sie behaupten, dass eine vollständige Abschaffung der Straßenbeiträge die kommunale Selbstverwaltung aushöhlt. Aber ist diese Selbstverwaltung in anderen Bundesländern, in denen es keine Straßenbeiträge gibt, wirklich eingeschränkt? Ist Ihren Kolleginnen und Kollegen mit Regierungsverantwortung die kommunale Selbstverwaltung dort wirklich egal? – Ich glaube, nicht. Natürlich nicht, und das wissen Sie genauso wie ich; denn es ist so, dass es möglich ist, die Straßenbeiträge abzuschaffen, ohne dass die Kommunen leiden – vorausgesetzt, es gibt diese Entschädigungszahlungen, wie wir sie in unserem Gesetzentwurf vorgesehen haben.

Der ganze Verweis auf die kommunale Selbstverwaltung ist ein vorgeschobenes Argument, hinter dem Sie sich mit Ihrem fehlenden politischen Willen verstecken wollen. Darum geht es doch in Wirklichkeit.

(Beifall DIE LINKE – Zuruf Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn (Freie Demokraten))

Damit komme ich zum zweiten Gegenargument gegen unseren Gesetzentwurf. Sie behaupten, dass die Regelungen, die seit 2018 getroffen worden sind – Stichwort: wiederkehrende Beiträge, Ratenzahlung und Kommunaldarlehen –, alle Probleme gelöst hätten. Natürlich ist es gut, dass es diese Regelungen mittlerweile gibt. Aber sie sind doch nicht das Verdienst der Landesregierung, sondern von engagierten Einzelpersonen und den über 70 Bürgerinitiativen, die seit Jahren kenntnisreich und hartnäckig für ihre Anliegen kämpfen. Dafür möchte ich mich an dieser Stelle ausdrücklich bedanken.

(Beifall DIE LINKE)

Leider ist die Arbeit dieser Bürgerinitiativen auch weiterhin notwendig, weil Straßenbeiträge in vielen Kommunen auch weiterhin bestehen und weil die angeblichen Lösungen überhaupt nicht funktionieren. Aus Zuschriften und der schriftlichen Anhörung zu unserem Gesetzentwurf wissen wir, dass die wiederkehrenden Beiträge keineswegs zu zumutbaren Summen für die Betroffenen führen, wie es die Landesregierung immer wieder behauptet. Vielmehr gibt es Fälle, in denen die Betroffenen viele Tausend Euro, vereinzelt sogar mehrere Zehntausend Euro wiederkehrende Beiträge zu bezahlen haben. Das, was Sie hier als Lösung präsentieren, ist für die Betroffenen das genaue Gegenteil, nämlich ein Riesenproblem.

(Beifall DIE LINKE)

Ebenso gehen die bürokratischen und rechtlichen Probleme munter weiter. Bürgerinnen und Bürger erhalten keine ausreichenden Informationen. Es kommt zu ungleichen und ungerechten Erhebungen. Die Kommunen verweigern mögliche Ratenzahlungen. Betroffene werden vor Gericht nicht ernst genommen, usw. usf.

(Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn (Freie Demokraten): Na, na, na! Was ist das für eine Gerichtsschelte?)

Zugleich entsteht für die Kommunen und für die Gerichte ein riesiger bürokratischer Aufwand. Im Ergebnis raubt die jetzige Situation allen Beteiligten unfassbar viel Zeit, Energie und Geld. Sie stiftet Unfrieden und lenkt von den Dingen ab, die eigentlich getan werden müssten.

(Zuruf Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn (Freie Demokraten))

All diese Probleme wären doch sofort verschwunden, wenn die Straßenbeiträge endlich abgeschafft würden. Das ist die einzige echte Lösung.

(Beifall DIE LINKE)

Die schriftliche Anhörung hat einmal mehr gezeigt, dass unser Gesetzentwurf hierfür ein geeigneter Weg ist. Es wäre – ich zitiere aus der Stellungnahme der AG Straßenbeitragsfreies Hessen – „eine faire und praktikable Lösung aller aufgezeigten Konflikte“.

Über drei Viertel aller Stellungnahmen haben sich für unseren Gesetzentwurf ausgesprochen. Ich kann mich in der Tat an kaum eine Anhörung zu einem Gesetzentwurf dieser Landesregierung erinnern, bei der die Zustimmung annähernd so groß gewesen wäre.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU und den GRÜNEN – Frau Präsidentin, ich werde zum Schluss kommen –, erkennen Sie deshalb die Zeichen der Zeit. Springen Sie über Ihren Schatten, und nehmen Sie sich Schwarz-Grün in NRW zum Vorbild. Schaffen Sie gemeinsam mit uns endlich die unsäglichen Straßenbeiträge ab. – Vielen Dank für das Zuhören.

(Beifall DIE LINKE)

Ein Nachsatz noch. Da uns dieses Thema so wichtig ist, beantragen wir an dieser Stelle eine namentliche Abstimmung. – Vielen Dank.

(Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn (Freie Demokraten): Meine Güte!)