Rede von Torsten Felstehausen

Torsten Felstehausen zum E-Government-Gesetz

Torsten FelstehausenDigitalisierung

In seiner 118. Plenarsitzung am 15. November 2022 diskutierte der Hessische Landtag zum E-Government-Gesetz. Dazu die Rede unseres digitalpolitischen Sprechers Torsten Felstehausen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren!

Was könnte E-Government eigentlich sein, wie könnte es aussehen, und zwar nicht auf der technischen Seite – darüber haben wir viel gehört –, sondern tatsächlich für die Bürgerinnen und Bürger? Ich gebe Ihnen einmal ein Beispiel. Stellen Sie sich einmal vor, nachdem alles teurer geworden ist und die alleinstehende Mutter nicht mehr weiß, wie sie mit ihrem Geld bis zum Monatsende über die Runden kommen soll, nimmt sie sich ihr Smartphone, geht auf die Seite der Landesverwaltung, und dort gibt sie zunächst ihren Wohnort, die Zahl ihrer Kinder, Partnerin oder Partner und ihr monatliches Einkommen ein. Noch bevor überhaupt irgendwelche personenbezogenen Daten abgefragt werden, wird sie darauf hingewiesen, welche Leistungen des Staates sie grundsätzlich in Anspruch nehmen könnte, wo es sich lohnt, genauer hinzuschauen: eventuell ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt, Wohngeld, Heizkostenzuschüsse oder Leistungen aus dem Bundesteilhabegesetz. Wenn sie sich jetzt bei dem Portal einloggt, prüft das System automatisch, welche Informationen denn schon alle in den Behörden hinterlegt sind, und fragt sie, ob es diese Informationen nutzen darf. Sie bekommt den Hinweis, welche Sachen sie noch nachliefern muss. Wenn sie dann den Mietvertrag einreichen muss, kann sie ihr Handy nehmen, ein Foto davon machen und das Ganze im Portal hochladen.

So einfach könnte es gehen. Meine Damen und Herren, Sie kennen dieses System. Das gibt es inzwischen bei allen Banken, bei allen Versicherungen usw. Innerhalb von sieben Tagen hätte diese Mutter tatsächlich einen Bescheid im Portal, und – ja, es wird bald Weihnachten – sie wäre froh, dass es diesmal so einfach ginge.

Meine Damen und Herren, so könnte E-Government aussehen, und das wäre auch das Zielbild, das wir als LINKE davon haben.

(Beifall DIE LINKE)

Aber jetzt frage ich mich: Was liefern Sie mit diesem Gesetz? Fünf Jahre nach der Verabschiedung des OZG fällt Ihnen auf, dass wesentliche Voraussetzungen für den digitalen Umbau unseres Landes noch immer nicht geschaffen sind. Gut, man kann sagen, Sie haben auch die Latte im Koalitionsvertrag ganz bewusst niedrig gelegt. Ich zitiere:

Unser Ziel ist es, die Vorgaben des Onlinezugangsgesetzes … des Bundes zu erfüllen.

Das hört sich nicht nach einer ambitionierten Digitalpolitik an, das hört sich eher an wie „hat sich stets bemüht“. So ist auch dieser Gesetzentwurf, der heute zur Änderung des Hessischen E-Government-Gesetzes vorgelegt worden ist.

Präsidentin Astrid Wallmann:

Herr Felstehausen, Entschuldigung, dass ich Sie kurz unterbreche. Aber Herr Honka fragt, ob er Ihnen eine Zwischenfrage stellen darf.

(Torsten Felstehausen (DIE LINKE): Aber immer, Herr Honka! Bitte schön!)

– Herr Honka, Sie haben das Wort.

(Torsten Felstehausen (DIE LINKE): Aber nicht so lange!)

Hartmut Honka (CDU):

Lieber Herr Kollege Felstehausen, bei dem Bild, dass Sie gerade gezeichnet haben, frage ich Sie: Wenn all das, was Sie schon gesagt haben, was die Computersysteme über den Benutzer wissen müssten, über die Dame, die Sie beschrieben haben, was da alles schon an Informationen vorliegen müsste, glauben Sie nicht, dass Sie die Ersten wären, die datenschutzrechtliche Bedenken geltend machen würden, wenn all dieses Wissen vorab schon in staatlichen Systemen vorhanden wäre?

Torsten Felstehausen (DIE LINKE):

Vielen Dank für die Frage. – Wenn Sie Ihren eigenen Gesetzentwurf einmal durchgelesen hätten, dann hätten Sie bemerkt – aber Sie haben es leider nicht –, dass genau das, was ich beschrieben habe, darin steht. Das zu Ihrer Frage und Ihrer Sachkenntnis.

Dann weiter. Sie hätten bis zum Ende des Jahres Zeit gehabt, das OZG zu erfüllen. Jetzt, 39 Tage vor Jahresende, wachen Sie auf, und das ist tatsächlich ein digitalpolitisches Trauerspiel. Aber wer so weit hinten liegt, der sollte sich doch zumindest beim Schlusssprint bemühen. Aber auch da Fehlanzeige, meine Damen und Herren. Statt einer klaren Verpflichtung des Verwaltungshandelns, digitale Kanäle zu priorisieren, wimmelt es in Ihrem Gesetzentwurf nur so von Kannvorschriften. Verwaltungsakte können zukünftig digital bekannt gegeben werden. Warum haben Sie nicht etwas mehr Zutrauen in die eigene Digitalpolitik und sagen: „Natürlich, Verwaltungsakte sollen zukünftig digital bekannt gegeben werden“? Mit Zögern und Abwarten werden Sie doch den Rückstand, den Sie heute schon auf andere Länder haben, nicht aufholen.

Es ist schon gesagt worden: Deutschland liegt bei der Verwaltungsdigitalisierung in Europa auf Platz 16 von 27. Da können wir als LINKE nur fragen: Frau Digitalministerin, worauf warten Sie eigentlich noch?

(Beifall DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, bei diesem Gesetzentwurf hat man den Eindruck, dass Sie mit allen Mitteln die Lernkurve flach halten wollen. Da kommt die Landesregierung auf die Idee, eine Experimentierklausel einzurichten – im Grunde nichts Schlechtes, auch einmal etwas auszuprobieren. Bei dieser Experimentierklausel schreiben Sie dann rein, die Spitzenverbände der Landkreise, der Städte und Kommunen dürfen Änderungen anregen – welch ein Staatsverständnis. Aber das zeigt genau Ihre Denkweise. Die längst überfällige Verwaltungsdigitalisierung wird doch nicht für die Verwaltung gemacht. Wenn Sie wirklich besser werden wollen, dann müssen Sie die eigentlichen Adressaten, nämlich die Bürgerinnen und Bürger, fragen. Die Fachleute nennen das User Experience. Nicht ausschließlich die Spitzenverbände müssen gefragt werden, die Bürgerinnen und Bürger müssen gefragt werden bei der Experimentierklausel: Hilft mir das konkret im Leben? – Davon müssen Sie das weitere Vorgehen abhängig machen.

Wenn Sie die Bürgerinnen und Bürger einmal gefragt hätten, wie es um die Verwaltungsdigitalisierung in diesem Land bestellt ist, wenn Sie z. B. bei dem Projekt Grundsteuerreform einmal gefragt hätten, dann hätten Sie wahrscheinlich nur eine einzige Antwort bekommen: hinsetzen und nachbessern. Das würden wir Ihnen für dieses Gesetz auch vorschlagen. – Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE)