Rede von Torsten Felstehausen

Torsten Felstehausen zur Hessischen Zukunftsagenda Künstliche Intelligenz

Torsten FelstehausenDigitalisierung

In seiner 132. Plenarsitzung am 23. März 2023 diskutierte der Hessische Landtag zur Hessischen Zukunftsagenda Künstliche Intelligenz. Dazu die Rede unseres digitalpolitischen Sprechers Torsten Felstehausen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren!

Lassen Sie uns über KI sprechen. KI gehört seit Jahren zu den wichtigsten Treibern von Digitalisierung, und immer öfter übernimmt künstliche Intelligenz menschliche Tätigkeiten. Künstliche Intelligenz revolutioniert heute unsere Gesellschaft wie vor 100 Jahren die Dampfmaschine oder vor 30 Jahren die Gentechnik.

Und so ist es tatsächlich längst überfällig, dass die Landesregierung aufgewacht ist und dieses Forschungsfeld endlich auf ihre Agenda gesetzt hat. Aber wer meint, hier nur auf schnellen Profit schielen zu können, und wer meint, die Förderung solle vor allem dafür dienen, möglichst schnell Produkte zur Marktreife zu bringen, der irrt. Natürlich ist es auch eine technische Herausforderung, und viele Länder haben dort einen gewaltigen Vorsprung. Aber es gilt auch hier: Wer meint, mit „Digitalisierung first. Bedenken second“ einen Plan zu haben, der irrt. Und womöglich wird er in einer sehr dystopischen Welt aufwachen. Es darf bei KI eben nicht nur um Geschäftsmodelle und Wettbewerbsvorteile gehen.

Meine Damen und Herren, wir müssen insbesondere bei KI über Verantwortung sprechen. Politik hat im Bereich der KI die Aufgabe der Leitplankenbildung; denn nicht alles, was geht, ist auch wirklich gut.

Wenn Sie mich fragen, wie ich das meine, möchte ich Ihnen ein Beispiel geben: Gentechnik und Klontechnik – die Sprungtechnologie der Neunzigerjahre. Sie erinnern sich an das Klonschaf Dolly und die Diskussionen, die dieses Forschungsergebnis ausgelöst hat. Vieles klang vielversprechend, aber wir als Gesellschaft haben uns darauf geeinigt, dass es Grenzen geben soll. Während die Chancen des therapeutischen Klonens zur Heilung von Krankheiten beigetragen haben, gibt es den Konsens, dass das reproduktive Klonen, also das Klonen mit Menschen, ausgeschlossen sein soll. Diese Entscheidung ist gut, und sie ist wichtig. Denn wir wollen keine optimierten Humanoide haben, die wir beliebig geänderten Bedingungen und Anforderungen anpassen können. Ich glaube, darüber sind wir uns einig.

Also muss doch auch immer Ziel der Forschung im KIBereich sein, Chancen und Risiken zu beschreiben, zu begreifen und abzuwägen. Wir LINKE fordern daher, dass die KI-Zukunftsagenda nicht nur das technisch Mögliche, sondern eben auch das gesellschaftlich Verantwortliche beschreibt.

(Beifall DIE LINKE)

Hierzu hören wir von der Landesregierung kaum etwas. Der Kollege Hartmut Honka hat auch die Chance versäumt, hierzu etwas zu sagen. Aber genau das wäre die originäre Aufgabe der Regierung und der Politik. Wir brauchen neben Grundlagenforschung, der Bereitstellung von Forschungsräumen und Wissenschaftstransfer auch die Diskussion über das Verantwortbare und die Grenzen dieser Technik. Wir können nicht mit jeder Anwendung, wie mit Hessendata, nach Karlsruhe gehen, um dort der Regierung die Grenzen aufzuzeigen.

(Beifall DIE LINKE)

Ja, meine Damen und Herren, wir müssen grundsätzliche Fragen klären, und ich möchte einmal drei Fragen aufwerfen. Darüber sollten wir uns tatsächlich vielleicht gemeinsam Gedanken machen.

Wer soll denn eigentlich zukünftig im Zusammenhang mit KI Recht sprechen? Wollen wir dies einer vermeintlich neutralen KI-Instanz übertragen, und gewinnt dann möglicherweise derjenige einen Prozess, der die besseren Algorithmen hat? Wie schützen wir uns eigentlich vor Meinungsmanipulation und einer immer gläserner werdenden Gesellschaft? Soll in Zukunft der Meta-Konzern wirklich Wahlen entscheiden oder sogar Wahlen ersetzen? Ich meine, der eine oder andere in Berlin wäre vielleicht froh darüber, wenn es auf diesem Wege geht. Aber ich glaube, da wären wir wirklich auf dem verkehrten Weg.

Und jetzt komme ich einmal zu jedem Einzelnen von uns: Wie lange werden wir als Abgeordnete eigentlich noch Entscheidungen treffen? Gemäß einer Studie des spanischen Center for the Governance of Change würde ein Viertel der Befragten in Spanien es bevorzugen, dass politische Entscheidung eher von einer KI als von Politikern aus Fleisch und Blut getroffen werden. Meine Damen und Herren, das stelle ich einfach einmal in den Raum. Diese Perspektive müssen wir doch auch einmal bedenken, und wir müssen auch schauen: Wo ist da unsere Verantwortung?

Ja, diese Welt mit KI wird eine andere sein als die, die wir bisher kannten. Wie diese aussehen wird, liegt aber an uns. Dort wird uns weder blinde Technikgläubigkeit noch Maschinenstürmerei weiterbringen. Lassen Sie uns daher die Verantwortung für die Zukunft übernehmen, solange wir es noch können. Die Marktgläubigkeit der Landesregierung bietet hierfür leider keine Gewähr. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE)